Christiane zu Salm: Sterbebegleiterin

    Ein Friedhofsspaziergang mit einer Prominenten, das hab auch ich nicht alle Tage. Christiane zu Salm war Chefin von MTV und 9Live, sie spielte in einer anderen Fernseh-Liga. 2005 ist sie aus dem Medienbusiness ausgestiegen, ich bin noch drin. Ihre neue Berufung als Sterbebegleiterin hat uns kurz vor Weihnachten für das ZDF zusammengeführt.

    Christiane zu Salm betrachtet vor laufender Kamera einen Grabstein mit einer weißen Engelbüste darauf„Grabsteine informieren nicht darüber, ob hier ein glückliches, erfülltes Leben zu Ende gegangen ist oder ein unerfülltes“. Immer wenn Christiane zu Salm in eine neue Stadt kommt, geht die Weitgereiste auf den Friedhof. Wie alle Spaziergänger rätselt sie dann: wer mag sich hinter nüchternen Grabinschriften verbergen? Name, Tag der Geburt, Tag des Todes, selten erfahren wir mehr. Dabei hat jeder Mensch ein ganz individuelles, kostbares Leben. Wenn er stirbt, reden andere über ihn, die Angehörigen, der Pfarrer, die Trauerrednerin. Aber sagen sie immer das Richtige? Wer hat ihn wirklich gekannt?

    Vor zwei Jahren hat Christiane zu Salm eine Ausbildung zur ehrenamtlichen Sterbebegleiterin durchlaufen. Als sie übungshalber einen Nachruf auf sich formulieren sollte, merkte sie, so etwas macht eigentlich keiner. Das brachte die frühere Medienmanagerin auf die Idee, Sterbende ihren eigenen Nachruf schreiben zu lassen. Die aber fanden ihr Ansinnen merkwürdig: „Was? Ich soll von meinem Leben erzählen? In meinem Leben ist nichts Besonderes passiert. Das war ein ganz gewöhnliches Leben, ohne Höhen und Tiefen“, sagten viele der todkranken Menschen, die sie in Hospizen und in ihren Wohnungen traf. “Ach, dann erzählen Sie doch mal”, sagte die Besucherin.

    Und dann kamen ihre Gedanken doch in Fluss und mit dem Tod vor Augen diktierten sie der Sterbebegleiterin einen Rückblick auf ihr Leben. Ein Buch ist daraus entstanden. “Dieser Mensch war ich“ hat die Öffentlichkeit überrascht. Keiner hätte der Mittvierzigerin, die im protzigen, schnelllebigen Mediengeschäft Karriere gemacht hat, solch eine Wendung zugetraut. Bei unserer Begegnung auf dem Kreuzberger Friedhof habe ich eine Christiane zu Salm erlebt, die weniger mediales Kalkül umtreibt als ehrliche Anteilnahme. Mit ihrem Buch hat sie 80 Menschen ein Andenken verschafft, das so viel mehr sagt als jeder Grabstein.

    “Sonntags – TV fürs Leben”, 29.12.2013, 9 Uhr, ZDF

    ZDF-Mediathek: “Die Bilanz Sterbender”