Wo spielt die Musik?

    … für mich jedenfalls an einem anderen Ort als im Fernsehbusiness. Deshalb war es in meinem Blog so lange still. Das Warum hat gute Gründe: Keine Arbeit fürs Fernsehen mehr, sondern Projektarbeit. Weniger Journalismus, mehr Aktivismus. Seit 2019 leite ich das Projekt Genderleicht.de für den Journalistinnenbund e.V.

    Wir geben Medienschaffenden Impulse zum Gendern und kamen damit im Juni 2019 genau zur rechten Zeit, als die Genderdebatte losging. Mit unserer Website waren wir – neben Genderwörterbuch, Fairlanguage und Gesprächswert – eine der ersten, die umfänglich und vor allem praktisch die Möglichkeiten der geschlechtergerechten Sprache vorstellten. Andere haben mittlerweile nachgezogen und vieles im Internet erklärt. Genderleicht.de aber ist und bleibt eine verlässliche Quelle, um sich übers Gendern zu informieren.

    Zwei Bücher

    Als im Sommer 2021 die Projektförderung des Bundesfrauenministeriums (BMFSFJ) auslief, habe ich aus den Fragen und Antworten im Textlabor ein komplettes Buch gemacht: „Genderleicht. Wie Sprache für alle gelingt“. Es ist im Januar 2022 im Duden-Verlag erschienen. Manche nennen mein Buch den „Genderduden“. Naja, der Verlag hat vorher und nachher weitere Bücher herausgegeben, mehr Grammatik, mehr mit Übungsteilen u.v.m. zum Gendern. Mein Buch dagegen ist ein Schmöker, auch zum Schmunzeln und für alle, die noch zweifeln, ob Gendern das Richtige ist.

    Ich vertrete eine moderate Linie: Die Methode Genderleicht. Ich rate dazu, zunächst überflüssige Maskulina in unserer Alltagssprache aufzuspüren, sie durch geschlechtsneutrale Formulierungen zu ersetzen. Wer will, nutzt die Beidnennung, die den Vorteil hat, dass Frauen sprachlich sichtbar werden. Wenn es um die geschlechtliche Vielfalt geht, können Genderzeichen eingesetzt werden. Soweit in Kürze, was ich aber auch in zahlreichen Schulungen und Impulsvorträgen vielen Interessierten – u.a. bei SPIEGEL, Chrismon und SPORTSCHAU – verdeutlicht habe.

    In zwei Monaten feiert Deutschland den 75. Geburtstag des Grundgesetzes. Es trat am 23. Mai 1949 in Kraft und ich bin ausgesprochen froh, dass es in Art. 3 Absatz 2 die Gleichberechtigung von Frauen und Männern postuliert und in Absatz 3 ein ziemlich umfassendes Diskriminierungsverbot. Kurz nach dem Buch zum Gendern kam meine Literaturagentin Heike Wilhelmi mit der Idee, zum Grundgesetz-Jubiläum ein Jugendbuch zu schreiben. Zusammen mit meiner Tochter Milla, damals 17 Jahre alt, also genau in der Zielgruppe. Da ich Journalistin und Juristin bin, war ich begeistert; ich brachte schließlich die übrigen Fertigkeiten mit. Während Milla ihr Abitur machte, arbeiteten wir an dem Buch. Im Januar 2023 war es fertig, im Juli 2023 ist „Jede*r hat das Recht. Fälle, Fakten und Gedanken zum Grundgesetz“ im Verlag Gabriel bei Thienemann-Esslinger erschienen. Übrigens mit sehr schönen Illustrationen der Grafikerin Wiebke Kubitza. Bei der Leipziger Buchmesse werden wir es am 21. März beim JugendCampus Uverse in einem Workshop Jugendlichen vorstellen.

    Aktuelles Projekt: Bildermächtig

    Unterdessen ging es beim Journalistinnenbund weiter. Mit Förderung durch das BMFSFJ hat er im Herbst 2022 das Projekt Bildermächtig gestartet und mir wieder die Projektleitung anvertraut. Wir setzen Impulse, wie eine zeitgemäße Bildsprache Frauen facettenreich und auf Augenhöhe abbilden kann, frei von Klischees und Sexismus. Dabei schauen wir auch auf die Bandbreite der gesellschaftlichen Vielfalt: geschlechtliche Identität, Hautfarbe und Herkunft, Alter, Behinderung, Religionszugehörigkeit, sexuelle Orientierung.

    Unser primäres Medium ist der Instagram-Kanal @bildermaechtig.de, wo wir Klischeefallen zeigen und Positivbeispiele feiern. Den nötigen Content zum Nachlesen und Nachdenken liefern wir bei Genderleicht & Bildermächtig. Der Website haben wir im Sommer 2023 ein runderneuertes Aussehen verpasst und Platz für das aktuelle Projekt geschaffen, zu erkennen an der grünen Schmuckfarbe. Die Gendertexte habe ich aktualisiert und alles zum Thema der journalistischen Bildproduktion geschrieben. Mittlerweile haben wir hochproduktive Autorinnen gefunden, die für unseren Blog arbeiten oder in unserem Auftrag Foto- und Videoprojekte realisieren. Auch für dieses Projekt heisst es für mich: die Inhalte in Impulsvorträgen und Schulungen zu präsentieren, per Videoschalte oder in Präsenz.

    Dass ich bei diesem Arbeitsvolumen keine Zeit für die Produktion von Fernsehbeiträgen habe, versteht sich. Ich vermisse es trotzdem.


    In Kassel steht vor der Handwerkskammer diese lebensgroße Statue. Oder besser läuft, voller Tatkraft, mit Akten unterm Arm. Dies ist die Rechtsanwältin Elisabeth Selbert. Sie hat als eine der vier Mütter des Grundgesetzes gegen erhebliche Widerstände Artikel 3 durchgesetzt. 2022, bei meinem Besuch der Dokumenta 15, bin ich ihr überraschend begegnet und spontan um den Hals gefallen, wie oben das Foto von Katrin Dinkel zeigt.